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Nahanni: Mit dem Wasserflugzeug zu den Virginia Falls

Nahanni: Mit dem Wasserflugzeug zu den Virginia Falls

Gleichmäßig brummt der Sternmotor der 60 Jahre alten, top gepflegten DHC-2 Beaver. 450 Pferdestärken ziehen das Buschflugzeug vorbei an steilen Hängen, über Hochebenen und schneebedeckte Gipfel. Dann liegen sie plötzlich vor uns: die Virginia Falls im Nahanni National Park Reserve in den Northwest Territories.

 

 „Hierher kommst Du nur mit dem Flugzeug – oder mit dem Kanu und zu Fuß, das dauert dann allerdings zwei bis drei Wochen“, sagt Pilot Ted Grant und legt die Beaver in eine sanfte Kurve, um auf dem Fluss oberhalb der Viriginia Falls zu landen. Die Beaver, von 1947 bis 1967 in nur 1.600 Exemplaren gebaut, ist bis heute das beliebteste Buschflugzeug in Kanada. Weltweit sind noch rund 500 dieser unverwüstlichen Maschinen im Einsatz.

Die Beaver an der Pier oberhalb der Virginia Falls. Foto: Jürgen Juchtmann

Schaurige Geschichten weiß Ted Grant zu erzählen. Beim Überflug weist er auf makabre Ortsnamen hin: „Das da ist Headless Creek, da drüben liegt Deadman Valley, und die Hochebene heißt Funeral Range.“ Die Namen lassen Schicksale erahnen. „1908 wurden in einer Hütte dort unten die kopflosen Körper zweier Goldsucher gefunden“, weiß Grant. Das Verbrechen ist auch mehr als hundert Jahre später noch nicht aufgeklärt, die Schädel wurden nie gefunden.

Blick hinab auf den die Fölle teilenden Mason Rock. Foto: Jürgen Juchtmann

Von Fort Simpson am Mackenzie River fliegt Ted Grant innerhalb gut einer Stunde Touristen zum Wasserfall. Viel mehr als 1.000 sind es nicht pro Saison, und nur ganz wenige begeben sich auf die beschwerliche und anspruchsvolle Kanurundtour. Dabei übertreffen die Virginia Falls die Niagarafälle in der Höhe um das Doppelte. Der angenehme Nebeneffekt: Hier gibt es keine Zäune oder Absperrungen. Schmale Pfade führen vom Anlegesteg für Wasserflugzeuge direkt zu den schönsten Aussichtspunkten.

Die Virginia Falls kurz vor dem Überflug. Foto: Jürgen Juchtmann

Anschließend fliegen wir weiter in Richtung Little Doctor Lake. Plötzlich ziehen sich dunkle Wolken zusammen. Der kleine Flieger schüttelt sich. Ted Grant drückt die Maschine tiefer und strebt eine Lücke zwischen zwei Felswänden an. „Das Tor zur Hölle“, scherzt ein Mitflieger. Nichts dergleichen, denn kaum ist der recht schmale Spalt im Fels durchflogen, strahlt die Sonne wieder, und die Beaver setzt leichtfüßig auf dem Little Doctor Lake auf.

Ungebändigte Wasserkraft: Unmittelbar vor der Kante herrscht das tosende Inferno. Foto: Jürgen Juchtmann

Hier haben in einer Hütte bis in die 1970er Jahre zwei echte Pioniere des Nordens gelebt: Gus und Mary Kraus, denen die Entwicklung des Nahanni-Gebietes zum Nationalpark zu verdanken ist. Die Wildnis beginnt nur wenige Schritte hinter dem Blockhaus. Jahrtausende lang waren hier nur die Dene-Indianer ansässig. Erste weiße Fallensteller kamen im 19. Jahrhundert. Sie entdeckten heiße Quellen und eine Vielzahl von Höhlensystemen. Heute leben in den Nordwest-Territorien 41.000 Menschen – auf einer Fläche, die fast viermal so groß wie Deutschland ist.

Am schönen Strand des Little Doctor Lake. Foto: Jürgen Juchtmann